Die Insel

Fast fünf Jahre ist der letzte Besuch her, unglaublich, wie die Zeit vergeht, in der das Gastroblog zugegebenermaßen vernachlässigt wurde und die Insel nun auch schon ein Weilchen unter neuer Obhut operiert. Zeit also für etwas Dekadenz, lockte die Webseite der Insel doch mit einem Kaviar-Tasting. Und so klischeehaft das nun auch sein mag, meine Liebste und ich mögen Kaviar sehr gerne und so beschlossen wir, ein großes Sparschwein zu opfern.
Wir sind pünktlich 18:30 Uhr da, es ist schon gut gefüllt, eine wirkliche Begrüssung gibt es nicht, als Nicht-Stammgäste stehen wir etwas orientierungslos herum, haben aber dennoch alsbald einen Moscow Mule in der Hand, der mir persönlich mit dem reichlich aus einer vermutlich 3l-Flasche applizierten Bielik Wodka etwas zu weich und süßlich geraten ist, wir hätten mal lieber gleich zum alternativ gereichten Schampus vom Baron de Rothschild gegriffen…
Das Publikum erscheint speziell, sehen und gesehen werden hat hier seinen Stellenwert, hoffen wir mal, dass kulinarische Qualität den höchsten hat. Die Tische sind bombastisch eingedeckt, Tischkarten weisen den Weg. Noch geht es weiter mit Champagner und wir begrüßen unsere Tischnachbarn, einen Food-Fotografen zu meiner Linken, der Nachbar meiner Liebsten ist ein Gourmet, der auch für den Gault Millau schreibt. Von daher haben wir es sehr nett und unterhaltsam getroffen.
Also dann legen wir doch mal los.

Amuse Gueule: Zweierlei vom Original Tsar Nicolai, Avocado und Saiblingskaviar

Der Gruß aus der Küche ist ein sehr schöner Start, an der Qualität und Frische der Produkte gibt es nichts zu meckern und es schmeckt sehr gut, sehr schön. Auf zum ersten Gang:

Caviar House Selection Qiandao Classic als Begleitung zu…
… wilder Riesenauster von Cadoret mit Gartengurke und Bleichsellerie

Toller Kaviar, aber völlig vergeigte Auster. Sollte es sich denn tatsächlich um Auster gehandelt haben. Denn erstens war vom Austernfleisch optisch nichts zu entdecken und zweitens vor lauter Aromaten und Krimskrams leider auch nichts zu schmecken. Gut, dass man den Kaviar pur geniessen konnte.
Dann lassen wir uns doch mal vom zweiten Gang überraschen…

Tatar vom Milchkalb mit Cappuccino von der Riesengarnele und Brombeerviaigrette
begleitet von Caviar House Fines Selection

Das war eine durchaus schmackhafte Kombi, wobei es des Spiegeleichens angesichts des folgenden Ganges nicht unbedingt bedurft hätte, aber wir wollen mal nicht überkritisch sein.
Kommen wir lieber zu Kartoffelbrei mit Spinat 😉

Aus der handlichen Kilodose…
… frisch auf den Tisch, pochiertes Landhuhn-Ei mit Cremespinat, Kartoffelschaum und Prunier Caviar „Prunier“

Schlicht, ergreifend, lecker! Mehr gibt es dazu nicht zu sagen und es ist Zeit für eine kleine Erfrischung:

Sorbet vom Bamberger Hörnchen mit Bielik Wodka, Weizengras und weißem Heilbuttkaviar „BM“

Und diese kleine Erfrischung hat es wirklich in sich, außergewöhnlich, der Kaviar wurde vom Küchenchef persönlich eingetopft und zählt zu den spannendsten Gängen an diesem Abend. Normalerweise soll ein Sorbet ja eine gewisse erleichternde Brücke zum folgenden Gang sein, diese allerdings schwankte durch die Wodkamenge schon beträchtlich… 😉
Also auf zum stärkenden Fischgang, hiervon gibt es allerdings nur ein unscharfes Bild, ups…

Qubiak vom Stör mit süß-saurem Butterkohl, Dill-Schmandsoße und…
… Prunier „St. James“

Bisher konnte ich nicht herausfinden, was denn Qubiak eigentlich ist oder bedeutet, liebevolle Behandlung von Stör bedeutet es jedenfalls nicht, der trockene und überwürzte Fisch war leider eine Enttäuschung, der Kaviar immerhin das tröstende Element.
Wenden wir uns also dem krönenden Abschluss zu, dem Dessert:

Nutella-Brot mit luftigem Biskuit, Beerensalat, Nougatmousse und Sauerrahm-Eis

Nein, keine Krönung, sondern leider die Regel in Hannovers Gastronomie, das vernachlässigte Dessert, hier mit Molekular-Gedöns.

Die geneigte Leserschaft mag sich die Frage stellen, was denn eigentlich aus den korrespondierenden Weinen geworden ist… nun nicht viel, über das sich zu schreiben lohnen würde. Der nach dem Champagner kredenzte Weißwein war in Ordnung, passte aber für meinen Geschmack nur haarscharf zum Kaviar. Der später angebotene Rosé, natürlich wieder aus beeindruckenden Riesenflaschen gereicht, war dann aber in der uns nicht zusagenden Spielart Himbeer/Erdbeer-Bömbchen ausgeprägt, auch nicht passend, Schampus wäre uns da doch lieber gewesen, auch ein guter und extra trockener Cremant hätte es ja getan, um die Kalkulation im Zaun zu halten. Sehr schön zwischendrin war ein Glas Sake, allerdings litt der unter dem Ausschank in einem derben Averna-Glas, schade drum. Und der Bielik zum Menüabschluss hätte auch ein edleres Glas verdient gehabt.

Und dann war da ja noch:
„Wir begrüßen Felix Manuel Dammin von Caviar-House & Prunier. Der Star und Experte in Sachen Kaviar wird uns die Zucht, Ernte und Herstellung von Kaviar erklären und uns in die Geheimnisse von dem besten Lachs der Welt
“Tsar Nicolai” von Balik einweihen“
Hier hätten wir uns tatsächlich etwas mehr Informationen versprochen, das wäre spannend gewesen, kam aber zu kurz 🙁

Fazit: An sich ein toller Abend, aber irgendwie hätten wir uns eine Idee weniger „Bling-Bling“ und etwas mehr kulinarische Substanz versprochen, die das unbedingte Verlangen auslösen würde, wieder zu kommen, aber leider: Nö.

Webseite der Insel